von Barbara Sylla-Belok
Mitglied der Bürgerinitiative «Blumenrod V und VI – So nicht!»
Als eines der Ziele des Bebauungsplanes «Blumenrod V. und VI. BA» wird in der vorliegenden «Begründung mit Umweltbericht» (S.6 und S.31) genannt: «… den südlichen Ortsrand als Übergang zur freien Landschaft mit dem vorhandenen Vogelschutzgebiet in ökologischer und stadtgestalterischer Hinsicht zu entwickeln» bzw. «… den Übergang zur freien Landschaft zu gestalten und das weiter südlich angrenzende Vogelschutzgebiet (Natura 2000) zu schützen.» Beim Vogelschutzgebiet, das im Zuge der Bebauung Blumenrod V und VI «geschützt» werden soll und das sich direkt angrenzend an den (vorgesehenen) südlichen Sied- lungsrand in die Ackerfläche bis zum Mensfelder Kopf erstreckt, handelt es sich um ein amtlich ausgewiesenes EU-Vogelschutzgebiet, nämlich die «Feldflur bei Limburg» (DE 5614–401). Das Vogelschutzgebiet wurde 2008 mit der Natura-2000-Verordnung festgesetzt, diese Verordnung 2016 novelliert.
Rechtliche Grundlage für die Ausweisung des Vogelschutzgebietes ist die EU-Vogelschutzrichtlinie 79/409/EWG vom 02.04.1976, die festlegt, dass die unterzeichnenden Mitgliedsstaaten ausreichende Maßnahmen ergreifen zum Schutz und zum Erhalt wildlebender (bedrohter) Vogelarten und ihrer Lebensräume. Die ausgewiesenen Schutz- gebiete sollen ökologisch richtig gestaltete Lebensräume für die in ihnen nachgewiesenen (bedrohten) Vogelarten darstellen: Gebiete, von denen Beeinträchtigungen für die Vögel fernzuhalten sind und für die ein sogenanntes Verschlechterungsverbot gilt, d.h. ein Verbot von Eingriffen, die die Bedingungen für die Vögel innerhalb der Lebensräume verschlechtern (vgl. «Maßnahmen», S. 5).
Das Vogelschutzgebiet «Feldflur bei Limburg» ist ein solches Gebiet, das Lebensraum für geschützte Vögel darstellt. Es ist ein bedeutendes Rast- und Überwinterungsgebiet am Westrand der hessischen Vogelzugschneise (vgl. «Monitoring», S.7). «Die Ergebnisse der Grunddatenerhebung weisen das Gebiet in Hessen als eines der wichtigsten Rastgebiete für durchziehende Vogelarten wie Goldregenpfeifer, Kornweihe, Kranich, Mornellregenpfeifer und Kiebitz aus. Es handelt sich ebenfalls um ein großflächiges, jedoch durch starke natürliche Schwankungen gekennzeichnetes Rastgebiet für weitere geschützte Vogelarten wie Braunkehlchen, Brachpieper, Merlin, Rohr- und Wiesenweihe.» (vgl. «Maßnahmen», S. 5).
Auf der Basis dieser Erhebung ist es einsichtig, dass der «Feldflur bei Limburg» große Bedeutung als Lebensraum für die genannten EU-geschützten Vogelarten zukommt.
Da die «Flur» für diese Vogelarten gute artspezifische Habitat- bzw. Lebensraumstruk- turen aufweist, müssen von diesem Schutzgebiet Störungen und Beeinträchtigungen für die Vögel ferngehalten werden. Dies gilt umso mehr, als der gesetzlich vorgeschriebene Monitoring-Bericht von 2014 über die Erhaltungszustände der Vogelarten in der «Feldflur bei Limburg» konstatiert, dass alle zu schützenden Vogelarten – bis auf den Mornellregenpfeifer – einen ungünstigen Erhaltungszustand C aufweisen (vgl. S.10).
Welche Störungen und Beeinträchtigungen müssen vom Vogelschutzgebiet ferngehalten werden? Von fachlicher Seite werden als Gefährdungen genannt (vgl. «Monitoring», S.7): «Intensivierung der Landwirtschaft, Bau von Windkraftanlagen und Starkstromleitungen, Bau von Umgehungsstraßen, bauliche Erschließung und Störungen durch Freizeit- betrieb.» Alle hier genannten Eingriffe sollten also im Bereich und unmittelbaren Umfeld des Vogelschutzgebietes «Feldflur bei Limburg» vermieden werden im Interesse des Erhalts und der Verbesserung der Lebensbedingungen der relevanten Vogelarten.
Damit ist der Konflikt aufgezeigt, den die geplante großflächige Bebauung «Blumenrod V. und VI.BA» für den Schutzanspruch des Vogelschutzgebietes mit sich bringt: Sowohl die Bebauung in unmittelbarer Nachbarschaft zur «Feldflur», d.h. im Wirkraum des Natura-2000-Gebietes, wie auch die damit verbundene Ansiedlung von 1600 – 2000 Neubürger/-innen, die in ihrer Freizeit in die «Feldflur» ausschwirren wollen, werden nicht zur Verbesserung des Lebensraumes der rastenden und durchziehenden Vögel beitragen.
Warnend äußert sich eine Verträglichkeitsstudie, die im Auftrag der Stadt Limburg für die «Erweiterungsflächen des Baugebietes Blumenrod» 2014 von Bischoff und Partner durchgeführt wurde: «Die Studie kommt im Fazit zu dem Ergebnis, dass durch das Pro- jekt erhebliche Beeinträchtigungen der Schutzgegenstände des Gebietes DE 5614–401 nicht auszuschließen sind. Somit wird das Vorhaben ‹Erweiterung des Baugebietes Blumenrod› als UNZULÄSSIG beurteilt.» Die Studie weist darauf hin, dass vor allem durch die große Zahl zuziehender Bürger/-innen «… die bereits vorhandene intensive Erholungsnutzung» der Feldflur deutlich zunehmen und «zu erheblichen Störungen des Zug- und Rastgeschehens» der zu schützenden Vogelarten führen wird (vgl. Vorentwurf Blumenrod V. und VI. BA, S.32).
In ähnlicher Weise äußert sich der «Maßnahmenplan für das Vogelschutzgebiet ‹Feldflur bei Limburg› /2018» (S.13): «Die Erhaltung des Offlandcharakters setzt auch der weiteren Baugebietsausweisung oder der Errichtung von weiteren Straßen Grenzen. Da der Erhaltungszustand der maßgeblichen Arten weiterhin ungünstig ist, muss eine Ver- kleinerung oder Verschlechterung … (des Vogelschutzgebietes) vermieden werden.» Dem kann und muss gestimmt werden.
Da die Stadt Limburg bislang trotz der Konflikte, die eine Bebauung im Hinblick auf den Vogelschutz ergibt, an der Entwicklung von Blumenrod V. und VI. BA festhält, listet sie im «Vorentwurf Blumenrod V. und VI .BA» Maßnahmen auf, mit deren Hilfe das Problem gelöst werden soll. Diese Maßnahmen stellen durchaus einen geringen Schutz der «Feldflur» dar, werden aber insgesamt den steigenden Ansturm einer steigenden Anzahl von Einwohner/-innen auf die freie Ackerfläche zur Freizeitnutzung und somit eine (gesetzlich verbotene) Verschlechterung des Lebensraumes der geschützten Vogelarten nicht verhindern können! Wenn man, wie geplant, die bestehenden Feldwege, die derzeit von der noch freien Fläche für die vorgesehene Bebauung aus ins Feld führen und die gut genutzt werden, für die Nutzung unzugänglich macht (wie? umpflügen? zuwachsen lassen?), werden sich die Nutzerströme über den Radweg nach Linter, die Geflügelzuchtanlage und den von dort aus weiterführenden Asphaltweg in die «Feldflur» bewegen, ebenso über die Landwirtschaftswege, die von Linter aus erreichbar sind. Sollen die Wege, die zu und 2von der Grillhütte und von der Kneippstraße aus ins Feld führen, auch zugesperrt werden? Soll Blumenrod abgeriegelt werden? Auch in Richtung Kneippstraße werden sich Besucherströme kanalisieren.
Und auch wenn der «Vorentwurf Blumenrod V. und VI .BA» deutlich macht, dass im geplanten Baugebiet auf «eine optimale Eignung für die Erholungsnutzung» und auf eine «große Attraktivität im Innenbereich» Wert gelegt werden soll und dass «Rund- wegeführung im Innenbereich zur Besucherlenkung» geplant ist, wird das zwar hilfreich sein, aber das Problem nicht wirklich lösen. «Rundwege» gibt es in der für die Bebauung vorgesehenen Fläche jetzt schon; sie werden gut genutzt und führen zurzeit durch (und in) weite, offene Landschaft. Bei durchgeführter Bebauung werden sie von 1600 ‑2000 Menschen mehr genutzt werden und führen dann «um den Block»!! Es ist klar, dass sich da der Drang der Bewohner/-innen, «rauszukommen», auch durch die geplante «attraktive Gestaltung des Innenbereiches» nicht erledigt und dass Wege gesucht werden, die reizvolle «Feldflur bei Limburg» zur Erholung zu nutzen.
Insofern wird die Bebauung und Besiedelung von Blumenrod V. und VI. BA zu einer Störung des Lebensraumes für die zu schützenden durchziehenden und rastenden Vögel führen und dem Verschlechterungsverbot wird nicht Genüge getan werden.
Die 25 ha Domänenland angrenzend an das Vogelschutzgebiet «Feldflur bei Limburg» (DE 5614 ‑401) dürfen auf keinen Fall vollständig bebaut werden. Am besten wäre es, von einer Bebauung abzusehen, wie auch in zitierten Studien gefordert.
Im Text verwendete Zitate aus:
- Vorentwurf Bebauungsplan Blumenrod V. und VI. BA, Begründung mit Umweltbericht
- Maßnahmenplan für das Vogelschutzgebiet «Feldflur bei Limburg» / 2018
- SPA-Monitoring-Bericht für das EU-Vogelschutzgebiet 5614 ‑401 «Feldflur bei Limburg», 2014.